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Praxis geschlossen. Wir haben Urlaub. Zwischen Verzweiflung und Verständnis.

Verzweifelt auf der Suche nach orthopädischer Hilfe …

Ja, der Zettel ist wirklich lieb geschrieben, aber als ich vor ein paar Tagen sehr dringend eine(n) Orthopädin(en) brauchte, war ich extrem genervt. Der Patientenanteil in mir dachte: „Wieso steht dann bitte online, dass die Praxis geöffnet hat? Nur dieser doofe Zettel DIRKET VOR ORT sagt mir, dass die Praxis im Urlaub ist! Es ist ja wohl nicht so schwer die Öffnungszeiten in Google kurz zu ändern!“ 

Das war nämlich schon die zweite Tür, an der ich einen solchen Zettel vorfand, weil „meine“ Orthopädin, zu der ich vorher gefahren war, auch im Urlaub war und auch bei ihr hing lediglich ein PAPIERZETTEL direkt vor Ort an der Tür. WARUM? 

Extrem genervt, lief ich also das zweite Mal zurück zum Auto, zahlte das Parkticket, fuhr vorsichtig raus der Lücke, sehr vorsichtig, denn ich konnte meinen Kopf gar nicht drehen und hatte die ganze Nacht davor wegen Schmerzen nicht geschlafen. „Hilft ja alles nichts“, dachte ich und fuhr zur nächsten Praxis. 

Hoffnung auf einen Termin wächst!

Glücklich zu sehen, dass dort KEIN Zettel hing, ging ich rein und sehe eine Frau vor der Tür warten. Ich gucke sie fragend an und sie sagt: Sie können ruhig rein gehen, ich warte nur hier draußen, weil das Wartezimmer so voll ist. 

Ich denke genervt und verständnisvoll: „Ja klar, Urlaubszeit, und die müssen die ganzen PatentInnen der anderen Praxen auffangen. Jeder braucht ja mal Urlaub, aber ich will doch nur, dass jemand ganz kurz meinen Hals wieder richtet und dann will ich schnell wieder an meinen Schreibtisch, um das Coaching vorzubereiten.“

Ich warte geduldig am Empfang und schaue in das völlig überfüllte Wartezimmer. Die Luft ist verbraucht, stickig und drückend. Weil es die letzten Tage heiß und schwül war, kommt die Klimaanlage einfach nicht hinterher. Die PatientInnen, die teilweise stehen müssen, weil alle Stühle besetzt sind, sehen erschöpf aus, schwitzen leicht bis mäßig und scheinen auch alle lieber wo anders sein zu wollen.

Die Realität haut rein.

Endlich bin ich dran, hoffe auf schnelle Erlösung, wohl wissend, dass ich als Notfall länger warten muss, schildere ich mit einem Buch unter dem Arm geklemmt, meine Lage und schaue erwartungsvoll in die Augen der Frau. Die MFA antwortet nur: „Tut mir leid, wir haben uns auf Schulter und Knie spezialisiert, Halswirbelsäule machen wir nicht mehr.“ Ich dachte mir, „W*F, das kann doch jetzt wirklich wahr nicht sein.“

Okay, lösungsorientiert denken: Was ist jetzt zu tun? „Definitiv eine orthopädische Praxis im Raum FFM als Kunden akquirieren“, dachte ich. Aber Spaß mal beiseite, ich war wirklich verzweifelt. Die Selbstdiagnose über Google löste bei mir jetzt auch nicht gerade mehr Entspannung aus. 

Meine Lösung: Vitamin B & warum ich mich dabei schlecht fühle

Letztendlich nutzte ich Vitamin B und bekomme in einer Praxis nahe Oldenburg schnell einen Termin. Ich kenne den Arzt, weil Ärztinnen und Ärzte und ihre Praxisteams meine Klienten sind. Glück im Unglück. 

Vielleicht wäre ich an diesem Tag bei Praxis 13 oder 14 dann endlich abends irgendwann dran gewesen, aber ich hatte in dem Moment mit Schmerzen einfach keine Kraft alle Praxen abzufahren und war trotzig und verzweifelt. IBU muss dann einfach erst mal helfen. 

Mein innerer Chancengleichheits-Anteil hatte einen sehr großen Widerstand auf Vitamin B zurückzugreifen, weil ich es immer noch unfair finde. Denn es gab auch eine längere Zeit in meinem Leben, in der ich das nicht konnte. 

Gerade zu Beginn meines Studiums war ich neidisch – ja, eher ein destruktiver Gedanke, ich weiß, aber ich war erst 20 😉 – auf die Studis, die Praktika in „krassen“ Unternehmen bekamen, obwohl sie jetzt nicht die besten Noten hatten oder auch sonst nicht sonderlich herausstachen. Aber wie es halt oft so ist: Papi oder Mami kennt da jemanden und da kann Sohn oder Tochter einfach mal „reinschnuppern“ ins Unternehmen ;). Heute denke ich: Na klar, warum auch nicht, ist doch eine super Chance. 

2012 dachte ich: „Ich habe diese ganzen Vorteile nicht, wie um Himmels willen, soll ich diesen Vorsprung jemals wieder aufholen?“ Ich wusste, dass ich mir alles aus meiner eigenen Kraft und Leistung erarbeiten muss und hatte große Ziele, die viele meiner Kommilitoninnen natürlich auch hatten. Good News: Made it – zumindest nach meiner heutigen Definition von Erfolg, es war aber kein Zuckerschlecken.

Die logische Konsequenz …

Aber warum erzähle ich das alles? 

Ich will nicht, dass Medizin nur über Vitamin B läuft. Ich möchte, dass jeder Zugang zur medizinischer Versorgung und die Möglichkeit auf einen Termin hat, wenn sie/er Hilfe benötigt. Das ist keine Kritik an den ÄrztInnen, MFAs, PflergerInnen etc., sondern am System. Ich möchte, dass alle Menschen, die im Gesundheitssystem arbeiten ausreichend Erholung und eine angemessene Vergütung haben, ich möchte, dass unser Gesundheitssystem so aufgebaut ist, dass es die Gesundheit der Menschen unterstütz und nicht darauf geachtet werden muss, ob sich die Behandlung jetzt noch finanziell lohnt. (Natürlich spreche ich sehr privilegiert über das Thema, in anderen Ländern sieht es viel schlimmer aus, aber irgendwo muss man ja starten die Welt zu verändern 🙂 )

Wir sind in einem der reichsten Länder der Welt, das muss doch möglich sein! 

Ja, mache PatientInnen kommen zu oft und nicht alle Behandlungen machen Sinn. Gerade Rückenschmerzen, Redebedarf bei älteren Menschen, Verspannungen oder psychische Probleme sollten nicht (nur) mit Spritzen und Tabletten behandelt werden. Hier braucht es meiner Meinung nach (auch) andere Mittel. Aber das ist dann wieder das nächste Thema. „Wie heilen wir in Deutschland Menschen und welche Wege nutzen wir noch zu wenig?“

Lasst uns gemeinsam unser Gesundheitssystem ändern, ändern wie wir über Gesundheit und Heilung denken!

Let’s do it together – for all of us!

Damit meine ich uns alle: PatientInnen, Ärztinnen, Ärzte, PflegerInnen, etc. und die Verbände, Organisationen und co, die sich schon zusammengeschlossen haben: Werdet lauter! Helft mir zu sehen, wo wir ansetzten können, denn ich bin ja nicht die erste, die etwas verändern will. Ich analysiere gerade wo der größte Hebel sein könnte.

Ich weiß, dass Wandel Zeit braucht und das Veränderungsprozesse auch frustrierend sein können, ich möchte es aber trotzdem probieren. Ich weiß auch, dass ich es alleine wahrscheinlich nicht schaffen werde. Deswegen die Bitte an dich, du, die diesen Beitrag bis hier hin Gelsen hat.

Vielleicht hast du einen Impuls, eine Idee, einen Kontakt, dann schreib mir. +49 176 16 98 74 39! Denn die Wahrheit ist nun einmal. Es braucht manchmal Vitamin B, um gehört zu werden, um etwas zu verändern, um den Menschen in den Ohren zu liegen, die an den Stellen sitzen, an denen entschieden wird.

Das, was du auf jeden Fall tun kannst, ist verständnisvoll mit den Menschen, die unser Gesundheitssystem noch am Laufen halten, umzugehen. <3

Carolin Wesche

Carolin Wesche

Carolin Wesche ist eine Betriebswirtin und systemische Coachin, die sich durch ihr tiefes Verständnis und ihre langjährige Erfahrung in der Gesundheitsbranche auszeichnet. Mit einem akademischen Hintergrund, der einen Master of Science in Marketing von der Universität Münster umfasst, sowie einer facettenreichen Berufserfahrung bei international renommierten Unternehmen bringt Carolin einzigartige Perspektiven in ihre Coaching- und Beratungstätigkeit ein. Sie finden weitere Informationen unter anderem auch auf LindedIn, Xing​​​​​​​ & Instagram​​​​​​​.